In ihren ausdrucksstarken, spannungsgeladenen Arbeiten setzt sich Rissa oft mit politischen und
gesellschaftskritischen Themen auseinander, doch manchmal lässt die Künstlerin auch sehr intime
Erfahrungen und Erinnerungen in ihr Werk einfließen. So bei der 2024 entstandenen Original-Graphik mit
dem Titel Andacht, deren Motiv auf ihr gleichnamiges Gemälde in Öl auf Leinwand von 1986 zurückgeht.
Wie der Titel bereits andeutet, wurde dieses Werk als Andenken und Hommage an eine enge Freundin der
Künstlerin kreiert. Rissa widmete dieses Werk Ingrid Kemp (1937 - 1986), die bereits im Alter von 49 Jahren
frühzeitig verstarb. Sie war die Ehefrau des Düsseldorfer Kunstsammlers Willi Kemp (1927 - 2020); das
Ehepaar war mit Rissa und K.O. Götz über viele Jahre sehr verbunden. Die Künstlerin selbst schreibt über
ihre persönliche Beziehung zu Ingrid Kemp, über ihre große Liebe für Blumensträuße und die
anschließende Entstehung des Gemäldes Andacht:
„An einem Tag im Jahr 1986 kam sie [Ingrid Kemp] zu
uns nach Niederbreitbach zu einem Abschiedsbesuch, sie wusste, dass sie bald sterben würde. Sie brachte uns
zum Abschied einen kleinen wundervoll zusammengestellten Blumenstrauß mit. Ich steckte ihn in eine kleine
weiße Vase, die auf dem Bild „Andacht“ gemalt zu sehen ist. Lange stand die Vase dann mit den schon
vertrockneten Blumen in meinem Atelier. Beim Anblick dieses Andenkens kam mir eines Tages die Idee, den
Blumenstrauß mit frischen Blumen wieder auferstehen zu lassen, um für Ingrid und mich ein Monument zu
schaffen.“
In dem für sie charakteristischen Malstil aus klar abgegrenzten, bunten Farbfeldern ohne Umrisslinien
stellt Rissa eine ungewöhnlich große Erdkröte dar, die einem verhältnismäßig kleinen Blumenstrauß aus
einer Vielzahl unterschiedlicher Blütenarten gegenübersitzt. Obwohl sich hinter der Entstehung dieses
Werks eine sehr persönliche Geschichte verbirgt, ist für Rissa auch der kunsthistorische Bezug von
erheblicher Relevanz. Für ihr Werk knüpfte sie an die umfangreiche Tradition der Blumenstillleben in der
niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts an und ließ sich von Werken wie Blumenstilleben
am Waldboden der Malerin Rachel Ruysch (1664 - 1750) und Blaue Winde, Kröte und Insekten von Otto
Marseus van Schrieck (1619/20 - 1678) inspirieren. In den Darstellungen der niederländischen Künstler
standen die Blumen in ihrer ganzen Pracht meist im Zentrum der Komposition, während kleine Insekten
und Reptilien wie Eidechsen, Schlangen und Kröten eine untergeordnete Rolle spielten; vielmehr sollten
diese „Untiere“ aus dem Erdreich durch ihre Hässlichkeit einen Gegenpol zur Fülle und Schönheit der
Blüten bilden. In ihrem Werk dreht Rissa die Größenverhältnisse der beiden Elemente um und stellt so die
Kröte in den Vordergrund. Während der abgebildete Blumenstrauß die letzte, noch verbliebene
Erinnerung an ihre verstorbene Freundin ist, nimmt die Kröte – deren Stellenwert im Bild durch ihre
überlebensgroße Erscheinung verstärkt wird – eine symbolträchtige Funktion ein. Obwohl dieses Tier
aufgrund seiner Verbindung zum Schattenreich der Erde oft negativ konnotiert ist, verkörpert es für die
Künstlerin eine Kraftquelle. Im alten Ägypten standen Frösche und Kröten sinnbildlich für Leben und
Fruchtbarkeit – die ägyptische Göttin der Geburt, Heket, wird in der Gestalt eines Frosches dargestellt –
und sind somit eine Metapher der Hoffnung und spirituellen Wiedergeburt.
Mit ihrem Werk Andacht, welches nun fast 40 Jahre nach dessen Entstehung ebenfalls eine
"Wiedergeburt" in Form einer Original-Graphik in limitierter Auflage erfährt, ist es Rissa gelungen, eine
nachhaltige Hommage an die Freundschaft, das Leben und die Hoffnung zu schaffen.
Weitere Informationen:
- Original-Graphik in Mischtechnik auf „Hahnemühle German Etching“-Büttenpapier, 310 g/qm
- Limitierte Auflage von 40 Exemplaren, nummeriert und von der Künstlerin handsigniert
- Bild- und Blattformat: 60 x 83 cm
- Aluminiumrahmen, silbermatt und kreuzgebürstet.
- Die Breite der Aluminiumleiste beträgt 1,6 cm,
die Tiefe 2,7 cm. Acrylglas.
RISSA – Biographie und Werk
Geboren wurde „Rissa“ als Karin Martin 1938 in Rabenstein bei Chemnitz. Bereits 1953 flüchtete ihre ganze
Familie aus der DDR und siedelte nach Westdeutschland über, wo sie 1959 in Bochum ihr Abitur
absolvierte. Im Anschluss daran begann Rissa ihr Studium der Malerei an der Kunstakademie Düsseldorf;
hier wurde sie 1960 in die Klasse von Karl Otto Götz aufgenommen, zu der auch weitere namhafte
Studienkollegen wie Gerhard Richter, Gotthard Graubner und Sigmar Polke zählten. Die Begegnung mit
dem Meister des Informel veränderte ihr Leben nachhaltig, sowohl auf persönlicher als auch auf
künstlerischer Ebene; die beiden heirateten 1965 und teilten ein intensives Leben und Schaffen bis zum
Tode von K.O. Götz 2017 im Alter von 103 Jahren. Unter seinem künstlerischen Einfluss begann Rissa
zunächst informell zu malen, doch bereits Mitte der 1960er Jahre distanzierte sie sich zunehmend von der
Abstraktion und schlug ihren eigenen künstlerischen Weg in die gegenständliche Malerei ein, den sie
seitdem nicht mehr verlassen hat. Von Anbeginn an war es ihr Bestreben, sich mit ihrer Kunst abzuheben
und etwas Innovatives und Einmaliges zu schaffen: „Ich will ungewöhnliche Gegenstandsbeziehungen und
Handlungen darstellen, die in der Wirklichkeit wohl vorkommen, jedoch selten beachtet werden. Darüber
hinaus will ich Gegenstände und Handlungen in einer Weise darstellen, wie es eben nur in der Malerei möglich
ist, aber bisher noch von keinem Maler realisiert wurde“, schrieb sie im Jahr 1966. Neben ihrer künstlerischen
Laufbahn war Rissa von 1969 bis 1975 als Dozentin an der Kunstakademie Düsseldorf tätig, 1975 wurde sie
zur Professorin und ab 2000 zu Prorektorin ernannt. Darüber hinaus war sie lange
Gleichstellungsbeauftragte der Kunstakademie. Im Laufe der Jahre beteiligte sie sich an zahlreiche Einzel-
und Gruppenausstellungen, oft in Kooperation mit K.O. Götz, mit dem sie unter anderem einen intensiven
Austausch über Kunst und Gesellschaft pflegte. Aufgrund des fortgeschrittenen Alters von K.O. Götz und
der damit einhergehenden gesundheitlichen Situation des Malers stellte Rissa ihre künstlerischen
Aktivitäten für mehrere Jahre ein, um sich ausschließlich der Pflege ihres Mannes zu widmen. 2018, ein
Jahr nach Götz' Tod und im Jahr ihres 80. Geburtstags, kehrte sie zur Malerei zurück und erhielt eine
umfassende Retrospektive in der Düsseldorfer Akademie-Galerie sowie in den Kunstsammlungen
Chemnitz. 2021 fand mit der Ausstellung Rissa – Ich male wieder in DIE GALERIE ihre erste Werkschau in
einer Kunstgalerie statt. Rissa lebt und arbeitet in Wolfenacker-Niederbreitbach; ihre Werke befinden sich
in zahlreichen Museen und Privatsammlungen.
Seit nunmehr 45 Jahren verbürgt sich der Galerist Peter Femfert für ein anspruchsvolles Konzept von den
wegweisenden Kunstentwicklungen des 20. Jahrhunderts bis hin zu aussichtsreichen und vielgestaltigen
zeitgenössischen Positionen.
In ihrer Niederlassung in Frankfurt am Main präsentiert DIE GALERIE jährlich rund fünf Ausstellungen mit
Gemälden, Zeichnungen und Skulpturen. Der Schwerpunkt des Galerieprogramms liegt auf der
Klassischen Moderne, insbesondere dem Surrealismus, der Kunst der CoBrA-Gruppe sowie auf figurativer
zeitgenössischer Kunst. Zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen mit Künstlern wie Max Ernst, André
Masson, Roberto Matta, Jean Dubuffet, Pablo Picasso, Max Ackermann, Corneille, Asger Jorn,
Lucebert, Karel Appel, Friedensreich Hundertwasser, Volker Stelzmann, Johannes Heisig, Louise
Nevelson und Bildhauern wie Igor Mitoraj, Beate Debus, Dietrich Klinge, Herbert Mehler und Riccardo
Cordero zeugen von einem niveauvollen und über Jahrzehnte gewachsenen Künstlerprofil. Neben der
Konzeption und Organisation von Kunstausstellungen sowohl in den eigenen Galerieräumen als auch in
namhaften Museen, Kulturinstituten und anderen Galerien, umfasst der Aufgabenbereich die
Verlagstätigkeit und – in erster Linie – die Beratung und Betreuung von Sammlern, Liebhabern und
Professionals.
Darüber hinaus ist DIE GALERIE regelmäßig auf den wichtigsten internationalen Kunstmessen vertreten,
unter anderem auf der Art Cologne, KIAF Seoul, TEFAF in Maastricht und BRAFA in Brüssel.